Antisemitismus

"Es gibt nämlich gar keinen Antisemitismus !!!"

In vielen Lexika und Wörterbüchern kann man nachlesen, was mit "Antisemitismus" gemeint ist: die Feindschaft gegen Juden und der Hass auf Juden. So hat auch Adolf Hitler dieses Wort verstanden, und in diesem Sinne hat er es benutzt. Schon sehr früh hat er in Schriftstücken und Reden seine Vorstellungen vom Antisemitismus formuliert:

"Wir sind überzeugt, daß dieser wissenschaftliche Antisemitismus, der klar erkennt die fürchterliche Gefahr dieser Rasse für dieses Volk, nur Führer sein kann, daß aber die breite Masse stets auch gefühlsmäßig empfinden wird, den Juden in erster Linie kennenlernt als den im täglichen Leben, der immer und überall absticht - unsere Sorge muß es sein, das Instinktmäßige gegen das Judentum in unserem Volke zu wecken und aufzupeitschen und aufzuwiegeln, solange bis es zum Entschluß kommt, der Bewegung sich anzuschließen, die bereit ist, die Konsequenzen daraus zu ziehen."

Adolf Hitler in einer Rede am 13.08.1920
zit. n. Buchheim u.a., Anatomie des SS-Staates, S. 567
Antisemitisches Plakat der NSDAP

Ein weiteres frühes Dokument ist das "Gutachten" über den Antisemitismus, das Hitler 1919 im Auftrag seiner militärischen Vorgesetzten erstellt hat.

Auch auf den Plakaten der Nationalsozialisten tauchte dieser Begriff auf, hier beispielsweise in einer Einladung zu der Versammlung am 13.08.1920 ("Warum sind wir Antisemiten?"), auf der Hitler als Redner auftrat.

Die rote Farbe mag überraschen, hatte aber - aus Hitlers Sicht - einen guten Grund. Über eine Versammlung am 24. Februar 1920 schrieb er:

Die Ankündigung derselben sollte durch Plakate und Flugblätter stattfinden (...)

Als Farbe wurde grundsätzlich Rot gewählt, sie ist die aufpeitschendste und mußte unsere Gegner am meisten empören und aufreizen und uns ihnen dadurch so oder so zur Kenntnis und in Erinnerung bringen.

Adolf Hitler, Mein Kampf, S. 401f.

Die Folgen dieses Antisemitismus sind bekannt: Hitler und seine Helfer haben etwa sechs Millionen Juden ermordet. Genau dies, der Judenmord, wird jedoch von Holocaust-Leugnern bestritten, und so liegt es aus ihrer Sicht nahe, wenn sie neben der Tat auch das Motiv in Abrede stellen. Das hört sich dann beispielsweise folgendermaßen an:

Und was Antisemit betrifft: Ich liebe Araber und habe dort viele Freunde! Also auch hier luegst Du wieder.

Horst Kleinsorg[1]

Begründet wird diese auf den ersten Blick verblüffende Wendung mit der Behauptung, die Juden wären überhaupt keine Semiten - vielmehr wären die Araber Semiten, und gegen die hätte man ja gar nichts.

Allerdings geht es hier nicht um sprachliche Spitzfindigkeiten, sondern um den sehr realen Judenhass der Auschwitzleugner - und der existiert unabhängig davon, wie man ihn nennt. Es scheint fast, als wollten die Rechtsextremisten an diesem Punkt eine Anleihe bei George Orwell machen: Wir nehmen einfach den Leuten das Wort weg, das unsere Einstellung zu Juden beschreibt, und schon können wir in aller Ruhe gegen Juden hetzen, ohne kritisiert zu werden.

Diese Verdrehungen sind nicht neu; man kann sie bis in die Nazizeit zurückverfolgen. Nachdem Hitler den Begriff "Antisemitismus" anfangs noch selbst benutzt hatte, erwog man 1943, der Presse die Benutzung dieses Begriffs zu untersagen, weil damit "immer die arabische Welt getroffen" würde. Wenn Antisemiten heute mit diesem Manöver arbeiten, dann benutzen sie ein Argumentationsmuster, das auf einer politischen Idee der Nazis beruht. [vgl. NS-Archiv: Begriff abschaffen]

Der nächste Schritt ist nicht selten die Umkehrung von Tätern und Opfern. Nicht die Juden wären die Opfer eines Völkermordes geworden, sondern die Juden wären die wahren Verbrecher, die den Begriff des Antisemitismus als Waffe und Tarnung benutzten - und außerdem wären ja die Juden selbst die wahren Antisemiten:

Juden dürfen morden und herrschen wo und wie sie wollen. Wer sie kritisiert und an ihren Lügenwurzeln packt, der hat Vorurteile und ist 'Antisemit'. (Keine 10% der Juden sind Semiten).

Antisemiten sind die, die Araber (Semiten) morden, treiben und vergasen!

Norbert Marzahn[2]

Interessant ist das Wort "vergasen" in diesem Kontext. Dieser Begriff führt die Täter/Opfer-Umkehrung auf besonders perfide Weise eine Stufe weiter: Die Juden wären nicht vergast worden, sondern sie wären Verbrecher, die ihrerseits andere Menschen vergast hätten.

Eine andere Variante dieses Verwirrspiels liest sich folgendermaßen:

Können wir uns darauf einigen, daß »Semitismus« definiert sein muß, um von »Antisemitismus« reden zu können? Nun definiere mal schön!

Hans J Kupka[3]

Diese Bemerkung aus dem Mund des Germanisten Kupka ist mit Sicherheit kein peinliches Versehen. Bei anderer Gelegenheit lässt Herr Kupka nämlich durchblicken, dass er sehr genau weiß, was unter Antisemitismus zu verstehen ist. Sprachliche Tricks wie dieser dienen einzig und allein dazu, jene Diskussionsteilnehmer zu verunsichern, die den Antisemiten und Holocaust-Leugnern kritisch gegenüberstehen.

Zu guter Letzt sei noch ein Auschwitzleugner zitiert, der die Sache sehr prägnant auf den Punkt bringt:

Es gibt nämlich gar keinen Antisemitismus !!! Das ist nur eine "Zauberformel" der "Bösen", die im Trüben fischen und sich damit absichern wollen. Wer das Böse erkennt, wird zum Antisemiten "umgewandelt" ob man das nun willl oder nicht.

Manfred Koch[4]

Das "Böse" sind natürlich die Juden, die manchmal auch als Kinder des Teufels und Anhänger Satans bezeichnet werden. Damit ist die Täter/Opfer-Umkehrung endgültig vollzogen.

Im Grunde könnte man die Diskussionen um den Begriff "Antisemitismus" als einen lächerlichen Streit um Worte abtun, aber wir dürfen den Hintergrund nicht vergessen, vor dem solche Auseinandersetzungen stattfinden. Es sind vor allem Rechtsextremisten, die mit dieser Technik operieren, und diese "revisionistische" Begriffsverwirrung ist meist in ein geschlossenes rassistisches und rechtsextremistisches Weltbild eingebunden.

Es geht nicht um ein Wort. Es geht um 6 Millionen Juden, die von den Nazis ermordet worden sind, und um die Ewiggestrigen, die dieses Verbrechen leugnen.

Quellen:

  1. From: hk@ crosslink.net (Horst Kleinsorg)
    Subject: Re: Auslaenderpolitik
    Date: Thu, 20 Nov 1997
    Message-ID: <34742fd6.4697291@ news.crosslink.net>
  2. From: Merlin@ normarz.snafu.de (Norbert Marzahn)
    Subject: Re: Was Juden eigentlich sind...
    Date: 13 Oct 1996
    Message-ID: <6IoDSja41wB@ normarz.snafu.de>
  3. From: hkupka@ usa.net (Hans J Kupka)
    Subject: Re: Erschreckendes Ergebnis in Sachsen-Anhalt
    Date: Wed, 06 May 1998
    Message-ID: <3550bf51.782853@ news.wave.co.nz>
  4. From: mankoch@ worldnet.att.net (Manfred Koch)
    Subject: Re: Schneiders Verzweiflungsakt
    Date: Tue, 29 Apr 1997
    Message-ID: <3365400e.25727638@ netnews.worldnet.att.net>
- nach oben -

Twitter_Logo_Blue facebook-logo
© Jürgen Langowski 2024
Impressum | Datenschutz